Abstract
Mittlerweile steht fest, dass Raucher und COPD-Patienten Risikogruppen für einen schweren Verlauf von COVID-19 sind. Dafür gibt es mehrere mögliche Gründe: Zum einen sind durch Zigarettenkonsum die Abwehrkräfte des Bronchialsystems eingeschränkt. Zum anderen kommt ein weiterer Aspekt, der das Risiko einer Infektion mit SARS-Coronavirus-2 fördern könnte, hinzu, und zwar die Expression der sogenannten ACE2-Rezeptoren im Lungengewebe. Dr. Watz aus dem Pneumologischen Forschungsinstitut an der LungenClinic Grosshansdorf gibt Ihnen in diesem Beitrag Argumente für Ihre Patienten an die Hand, weshalb sich ein Rauchstopp jetzt erst recht lohnt.
Raucher und COPD-Patienten sind Risikogruppen für schweren COVID-19-Verlauf
Die Identifikation von potenziellen Risikofaktoren einer Coronavirus-Infektion ist die Grundvoraussetzung, um Patienten-individuelle Präventionsmaßnahmen empfehlen zu können. Unter anderem stehen dabei Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen wie COPD im Blick von Klinikern und Forschern. Auch die Auswirkungen des Konsums von Tabakrauch wurden in den vergangenen Wochen beleuchtet. Denn Raucher haben per se ein erhöhtes Risiko für bakterielle und virale Infektionen1 und erkranken beispielsweise doppelt so häufig an Influenza wie Nicht-Raucher2. In der momentanen Phase der Pandemie kann psychischer Stress zudem das Verlangen nach Nikotin erhöhen. Laut der WHO besteht bei Rauchern außerdem ein erhöhter Hand-Mund-Kontakt, was Raucher wahrscheinlich empfänglicher für COVID-19 macht.3
Besonders wichtig: Exazerbationen vermeiden
Für den Pneumologen PD Dr. Henrik Watz, Pneumologisches Forschungsinstitut an der LungenClinic Grosshansdorf, ist klar, dass Raucher und auch COPD-Patienten aktuell mehr denn je von einer Rauchentwöhnung profitieren. Sein Hauptargument für einen Rauchstopp bei COPD-Patienten ist das vermehrte Auftreten von Exazerbationen: „Diese führen zu einer drastischen und dauerhaften Verschlechterung der Lungenerkrankung“. Dr. Watz rät allen an COPD erkrankten Personen, mit dem Rauchen aufzuhören: „Jedes Jahr nimmt die Lungenfunktion bei COPD-Patienten, die weiter rauchen, deutlich mehr ab, als bei COPD-Patienten, die es geschafft haben, mit dem Rauchen aufzuhören.“ Ein weiteres Argument ist die verkürzte Lebenserwartung: „Auch in COVID-freien Zeiten ist die Lebenserwartung von Rauchern um mindestens 10 bis 12 Jahre kürzer als bei Nichtrauchern – sowohl in Europa als auch in den USA.“
Geschädigte Bronchialschleimhaut begünstigt Infektionen
„In Tabakrauch sind tausende chemische Inhaltsstoffe enthalten, die das Bronchialsystem und die Abwehrkräfte schädigen. Folglich wird das Immunsystem geschwächt, was wiederum Infektionen begünstigt“, erläutert PD Dr. Watz. „Insbesondere COPD-Patienten haben eine dauerhaft hochentzündliche und empfindliche Schleimhaut in den Bronchien und können eingeatmete Erreger viel schlechter abwehren als Lungengesunde. Das bedeutet, dass es häufiger zu Infektionen und schwerwiegenden Krankheitsverläufen kommt.“
Rauchen erhöht Expression des ACE2-Rezeptors
Prof. Dr. Roland Buhl, Mainz, wies in einer zertifizierten Online-Veranstaltung kürzlich darauf hin, dass COPD mit einem höheren Risiko eines schweren COVID-19-Erkrankungsverlaufes und auch mit einer höheren Mortalität verbunden ist – und das gelte in gleicher Weise für Zigarettenraucher. Ein möglicher Grund dafür sei die durch das Rauchen getriggerte Überexpression des Angiotensin-Converting-Enzym II (ACE2)-Rezeptors. Über diesen ACE2-Rezeptor, einem Oberflächenprotein in den Atemwegen, gelangt SARS-CoV-2 in das Innere von Zellen.2
Höheres Risiko für schweren COVID-19-Verlauf durch aktives Rauchen möglich
Der negative Einfluss von aktivem Rauchen auf den Verlauf von COVID-19 und auch die Überexpression des ACE-2-Rezeptors werden in diversen Publikationen deutlich: Mehrere Studien haben gezeigt, dass Raucher im Vergleich zu Nicht-Rauchern eine erhöhte Expression des ACE2-Rezeptors in den Atemwegen aufweisen1,2,4,5,6. Auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für schwere Krankheitsverläufe bei Rauchern im Vergleich zu Nicht-Rauchern ist das Ergebnis mehrerer Studien 7,8,9,10,11,12,13. Weitere Daten deuten darauf hin, dass höchstwahrscheinlich ein Zusammenhang von Rauchen und einem rascheren Fortschreiten, einem höheren Schweregrad und möglichen Komplikationen von COVID-19 besteht14,15,16,17. Auch erhöht Rauchen vermutlich das Sterberisiko von hospitalisierten COVID-19-Patienten.18,13
Weitere Untersuchungen erforderlich
Den genannten Studien stehen Publikationen entgegen, die das Gegenteil zeigen oder auf einen potenziell positiven Einfluss von Nikotin auf den Krankheitsverlauf hin deuten.19,20
Festzuhalten bleibt: Der Zusammenhang zwischen der Raucher-Anamnese, dem Infektionsrisiko und dem Schweregrad von COVID-19 ist komplex11. Obwohl zu COVID-19 laufend diverse Arbeiten publiziert werden, ist die Aussagekraft häufig limitiert und die Ergebnisse beziehen sich teilweise nur auf hospitalisierte Patienten. Um detaillierte Aussagen zu weiteren Aspekten, wie dem Risiko für eine erhöhte Ansteckung durch Rauchen, treffen zu können, müssen daher weitere Patientendaten ausgewertet und Studien durchgeführt werden.
Patienten-Tipps für Online-Hilfe
„Eine Rauchentwöhnung ist natürlich in diesen Zeiten schwieriger, da man sich nicht in Gruppen zusammenfinden kann, um diese gemeinsam durchzuführen. Ich rate Patienten, sich im Web zu informieren, wie man psychologisch unterstützt vorgehen kann. Ein Beispiel ist die Homepage der Deutschen Atemwegsliga, die Tipps aufzeigt, wie man bei der Tabakentwöhnung erfolgreich sein kann“, so PD Dr. Watz. Auf der Website copd-experte.de finden Patienten im Kapitel „Mein Leben mit COPD“ viele weitere Gründe, warum es sich lohnt, mit dem Rauchen aufzuhören. Auch die Deutsche Krebshilfe bietet Tipps und Infomaterial zum Bestellen.