Abstract
Die Unsicherheit im Hinblick auf Diagnostik und Therapie während der COVID-19-Pandemie ist groß: Worauf muss man bei der Behandlung von pneumologischen Patienten achten? Viele Ärzte wünschen sich konkrete Handlungsempfehlungen für den Umgang mit ihren Patienten, doch die sich rasant verändernde Datenlage stellt für viele eine Herausforderung dar. In der zweiten interaktiven PneumoLive-Sondersendung am 26. Mai 2020 gaben Experten unter der Moderation von Prof. Dr. Gernot Rohde aus Frankfurt daher einen Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft. Die Referenten Prof. Dr. Mathias Pletz aus Jena, Prof. Dr. Michael Dreher aus Aachen, Prof. Dr. Roland Buhl aus Mainz, und Prof. Dr. Michael Kreuter aus Heidelberg, beleuchteten außerdem ihre Erfahrungen aus der Praxis und gingen auf die Fragen der Zuschauer ein. Wir fassen die wichtigsten Erkenntnisse für den Umgang mit Ihren Patienten zusammen.
Übersicht der Inhalte
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- PneumoLive-Veranstaltung in voller Länge
- Risikofaktoren, Diagnostik und Behandlung von COVID-19 (Prof. Dr. Pletz)
- Charakteristika für einen schweren Verlauf (Prof. Dr. Dreher)
- Risiko und Management von Patienten mit Asthma oder COPD (Prof. Dr. Buhl)
- COVID-19 und seltene Lungenerkrankungen (Prof. Dr. Kreuter)
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Weitere Termine
Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Therapie von pneumologischen Patienten
Risikofaktoren, Diagnostik und Behandlung von COVID-19 (Prof. Dr. Pletz)
Zu Beginn der Veranstaltung gab Prof. Dr. Mathias Pletz einen Überblick über die Übertragungswege sowie die Diagnostik und Behandlung von COVID-19. Der hohe Anteil an asymptomatischen oder präsymptomatischen SARS-CoV-2-Überträgern ist laut Pletz eine der Herausforderungen, die das Eindämmen von Infektionsketten erschwert: „Viele Patienten übertragen das Virus bereits innerhalb der ersten zwei Tage vor Beginn der Symptomatik.“ Die gute Nachricht: Einzelne Daten deuten laut Pletz darauf hin, dass Kinder zwar betroffen sein können, aber deutlich weniger Symptome haben.
Hohe Dunkelziffer: Ergebnisse der Heinsberg-Studie
Diagnostik: Jeden Verdachts-Patienten testen
„Mittlerweile wissen wir, dass die gesamte Welt ein Risikogebiet ist und entsprechend niedrigschwellig sollte jetzt getestet werden, nämlich bei jedem Patienten mit akuten Atemwegsinfektionen und/oder Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn“, erläuterte Pletz und fügte hinzu:
„Der Goldstandard ist immer der Erregerdirektnachweis, in diesem Fall also die PCR, für die idealerweise gepaarte Proben aus den oberen und unteren Atemwegen entnommen werden sollten.“ Der Grund dafür ist, dass die Viruslast sich im Laufe der Erkrankung verändert: Das Virus verschwindet innerhalb der ersten Woche aus den oberen Atemwegen, in den tiefen Atemwegen bleibt es dann länger enthalten. Etwas später kann es dann im Stuhl nachgewiesen werden.
Antikörper-Tests haben für die Akutdiagnostik singulär keinen Stellenwert, können jedoch bei negativem PCR-Test und bestehender Symptomatik eingesetzt werden. Pletz wies jedoch darauf hin, dass die Antikörper-Tests nicht ausreichend sensitiv sind. Sensitiver sei das CT, vor allen Dingen bei hospitalisierten Patienten.
PCR und Serologie im Zeitverlauf
Unzureichende Evidenz für Therapien
„Es gibt momentan keine Medikamente, die zeigen, dass sie wirklich effektiv Therapie und Prävention stemmen könnten“, so Prof. Pletz. „Die Dinge ändern sich hier momentan sehr schnell – Hydroxychloroquin ist eines der besten Beispiele dafür.“
Es gebe lediglich einen Hinweis der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), die einen Compassionate Use für Remdesivir auf den Weg gebracht hat, und Berichte zum Rekonvaleszentenplasma. Außerdem sei bei hospitalisierten Patienten eine prophylaktische Antikoagulation sinnvoll.
Einfluss von Steroiden auf den Krankheitsverlauf von COVID-19
Steroide und COVID-19
„Bei Influenza wurde immer wieder gezeigt, dass Steroide den Krankheitsverlauf verschlechtern können. Dies können wir aber nicht ohne weiteres auf COVID-19 übertragen“, erläuterte Prof. Pletz und verwies auf eine Studie aus Michigan.
In der Studie mit 213 Patienten erreichten COVID-19-Patienten, die nach Hospitalisierung drei Tage Steroide in einer niedrigen Dosierung (0,5 bis 1 mg pro Kilogramm pro Tag) intravenös erhielten, signifikant seltener den kombinierten Endpunkt aus Intensivpflichtigkeit, im weiteren Krankheitsverlauf Beatmungserfordernis oder Tod, als diejenigen Patienten, die keine Steroide erhielten.
Zusammenfassung
- Großteil der Übertragung durch asymptomatische oder präsymptomatische Patienten
- Diagnostik bei Verdacht: durch Material aus oberen und unteren Atemwegen, Antikörper können komplementär bestimmt werden, CT-Veränderungen haben höhere Sensitivität als PCR
- Keine klaren Empfehlungen zur Therapie durch unzureichende Evidenz
- Bei hospitalisierten Patienten: mindestens prophylaktische Antikoagulation
- Es gibt bislang keine Hinweise auf einen negativen Einfluss von Steroiden auf den Krankheitsverlauf
Charakteristika für einen schweren Verlauf (Prof. Dr. Dreher)
„Es handelt sich um eine Erkrankung, die bei denjenigen Patienten, die hospitalisiert werden müssen, eine hohe Mortalität aufweist – sowohl bei Patienten auf der Intensivstation als auch auf der Normalstation“, erläuterte Prof. Dr. Michael Dreher. Auf Basis von zwei Studien und publizierten Daten aus der eigenen Klinik beleuchtete er unter anderem die Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf: „Der Großteil der Patienten auf der Intensivstation war männlich und hatte Komorbiditäten. Das mediane Alter von 63 Jahren zeigt uns außerdem, dass nicht nur ältere Patienten einen kritischen Krankheitsverlauf haben.“
Therapie von Intensivpatienten
Welche Faktoren sind mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert?
Anhand von 126 hospitalisierten Patienten an der Uniklinik RWTH Aachen wurden signifikante Unterschiede von Patienten, die überlebt haben, und denjenigen Patienten, die verstorben sind, gefunden.
„Bei denjenigen Patienten, die verstorben sind, waren die Entzündungsparameter signifikant höher und das Virus wurde im Blut nachgewiesen. Außerdem war die Zeitspanne zwischen Symptombeginn und Hospitalisierung kleiner als 3 Tage“, so Prof. Dreher. Diese Parameter seien vermutlich relevant, um einen schweren Verlauf zu prognostizieren.
Zusammenfassung
- Die Mortalitätsrate bei hospitalisierten Patienten ist hoch
- Männliches Geschlecht und Komorbiditäten zählen zu den Risikofaktoren
- Nicht nur ältere Patienten haben einen schweren Verlauf
- Relevante Parameter für einen schweren Verlauf sind unter anderem Erhöhung von Entzündungsparametern, Virusnachweis im Blut, Zeitspanne zwischen Symptombeginn und Hospitalisierung von weniger als 3 Tagen
Risiko und Management von Patienten mit Asthma oder COPD (Prof. Dr. Buhl)
Ob Asthma- oder COPD-Patienten ein höheres Risiko haben, sich anzustecken oder einen schweren COVID-19-Verlauf zu entwickeln, ist eine Frage, mit der Prof. Dr. Roland Buhl häufig konfrontiert wird. Seine Antwort bezogen auf Asthma-Patienten ist eindeutig negativ: „Patienten mit leicht- bis mittelgradigem Asthma haben weder ein erhöhtes Ansteckungs- noch ein erhöhtes Mortalitätsrisiko.“
Einfluss von Kortikosteroiden auf COVID-19
Schriftlicher Therapieplan für Asthma-Patienten
Sein dringender Appell an behandelnde Ärzte lautet: „Bitte behalten Sie die bewährte inhalative Therapie bei. Patienten scheuen sich im Moment allerdings aus Angst vor einer Infektion, in unsere Praxen und Sprechstunden zu kommen, daher ist ein schriftlicher Therapieplan für alle Patienten wichtig.“
ACE-Expression bei Rauchern und COPD-Patienten erhöht
Bei COPD sieht die Situation laut Prof. Buhl anders aus als bei Asthma: „COPD ist mit einem höheren Risiko eines schweren Erkrankungsverlaufes und auch mit einer höheren Mortalität verbunden – und das gilt in gleicher Weise für Zigarettenraucher.“ Grund dafür ist offensichtlich die durch das Rauchen getriggerte Überexpression des ACE2-Rezeptors, einem Oberflächenprotein in den Atemwegen, was wiederum zur Variabilität des Infektionsrisikos, der Erkrankungsschwere und der Prognose beitragen kann.
Verhaltensregeln einhalten, Therapie fortführen
Deswegen sollten alle COPD-Patienten gebeten werden, die lokalen Verhaltensempfehlungen zur Minimierung des Infektionsrisikos einzuhalten und bei Zeichen einer Infektion Kontakt mit den behandelnden Ärzten aufzunehmen. Auch für die COPD gibt es laut Prof. Buhl keine Evidenz, dass eine Therapie mit inhalativen oder oralen Kortikoiden zu einem schlechteren Therapieergebnis führt. Deswegen gilt auch für COPD-Patienten, die Therapie beizubehalten.
Zusammenfassung
- Asthma-Patienten haben weder ein erhöhtes Ansteckungs- noch ein erhöhtes Mortalitätsrisiko
- COPD-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und sollten daher unbedingt das Infektionsrisiko minimieren
- Sowohl Asthma- als auch COPD-Patienten sollten ihre Therapie beibehalten
- Ein schriftlicher Therapieplan für Patienten ist hilfreich
COVID-19 und seltene Lungenerkrankungen (Prof. Dr. Kreuter)
Prof. Dr. Michael Kreuter legte in seinem Vortrag den Fokus auf die Implikationen der SARS-CoV2-Pandemie auf seltene Krankheitsbilder: „Auch wenn Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) sehr unterschiedlich sind, könnten sie möglicherweise mit einem relativ ähnlich hohen Risiko für die betroffenen Patienten einhergehen.“
Laut Prof. Kreuter stellen Infekte für ILD-Patienten per se ein hohes Risiko dar – in Kombination mit einer akuten Exazerbation ist das Mortalitätsrisiko nochmals höher. Aufgrund der derzeitig geringen Evidenz konnte Prof. Kreuter keine konkrete Aussage im Hinblick auf das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs treffen: „Es gibt sehr wenige Publikationen, bei denen im Besonderen auf ILD eingegangen wird.“
Risiken während der SARS-CoV2-Pandemie für ILD
Diverse Risiken für ILD-Patienten in Zeiten der Corona-Pandemie
Prof. Kreuter betonte jedoch, dass es in der momentanen Situation diverse Risiken für diese Patientengruppe gibt: „Beispielsweise sehen wir jetzt, dass viele Patienten trotz Exazerbationen nicht zum Arzt gehen.
Und sollte eine zweite Welle kommen, müssen wir darüber nachdenken, wie wir diese Patienten besser zu uns bekommen.“ Auch gebe es Unsicherheiten beim Einsatz üblicher ILD-Pharmakotherapien.
Abschließend erläuterte Prof. Kreuter, dass sehr wenig über den Verlauf und die Therapie der Post-COVID-Fibrose bekannt sei, und appellierte, bei der Wahl von Therapien vorsichtig zu sein: „Die jetzige Situation lehrt mich nochmal mehr, wirklich nur die Medikamente einzusetzen, von denen wir wissen, dass sie wirken – und das gilt auch für Antifibrotika und eine Post-COVID-Fibrose.“
Zusammenfassung
- Infekte stellen für ILD-Patienten per se ein hohes Risiko für eine Krankheitsverschlechterung dar
- Die Datenlage zum Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs ist unzureichend
- Die Ausnahmesituation der Pandemie an sich geht mit diversen Risiken für ILD-Patienten einher, wie beispielsweise übersehene Exazerbationen durch ausbleibende Arztbesuche
- Die Unsicherheit beim Einsatz von ILD-Therapien ist hoch
- Die Datenlage zu Verlauf und Behandlung der Post-COVID-Fibrose ist unzureichend