Pränatale und frühkindliche Risikofaktoren
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) gilt als typische Alterserkrankung. Doch manchmal präsentieren sich bereits Patient*innen im Alter von 30 oder 40 Jahren mit den typischen Symptomen. Grund dafür können pränatale oder frühkindliche Einflüsse, aber auch epigenetische Faktoren sein, die dazu beitragen, dass die Lunge nie ihre maximale Funktion erreichen kann.
Genauer beleuchtet wurden diese Zusammenhänge im Rahmen einer Fortbildung, bei der Experten aus den Bereichen Neonatologie, Pneumologie und Genetik die Lunge und ihre Pathologie aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet haben.
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Diagnose “Lungenkrank” – Lifestyle oder Genetik?
Schlussfolgerungen:
- Im Genom jedes Menschen findet man ca. 4–5 Millionen Punktmutationen, von denen rund jede 7. die Gen-Expression bzw. Proteinsynthese beeinflusst.
- Die Genetik bestimmt die Lungenfunktion nicht monokausal, sondern trägt lediglich zur Krankheitsprädisposition bei.
- Sie kann eine COPD-Entstehung triggern, wenn weitere Faktoren wie Frühgeburtlichkeit, gehäufte Atemwegsinfekte in der Kindheit oder Schadstoffbelastung der Atemluft hinzukommen.
- Zu den wichtigsten epigenetischen Prozessen gehört die DNA-Methylierung und -Demethylierung, wodurch Gene schlechter oder besser abgelesen werden können.
- Das Ausmaß der Methylierung wird durch Umweltfaktoren wie Rauchen oder Ernährung maßgeblich beeinflusst.
- Durch Rauchen getriggerte epigenetische Prozesse können die Lungenfunktion verschlechtern, zur Emphysembildung beitragen und Exazerbationen begünstigen.
Prof. Dr. rer. nat. Markus Weckmann
Stellv. Leiter der Sektion Pädiatrische Pneumologie und Allergologie, Bereich Forschung, UKSH Lübeck
Frühgeborene und ihr Risiko für chronische Lungenerkrankungen
Schlussfolgerungen:
- Die Alveolarisierung und Kapillarisierung der Lunge beginnt zwischen dem zweiten und dritten Schwangerschaftstrimester. Dieser Prozess wird bei sehr unreifen Frühgeborenen empfindlich gestört.
- Wird eine mechanische Beatmung erforderlich, schädigt dies das unreife Lungengewebe zusätzlich.
- Aufgrund dieser ungünstigen Startbedingungen bleibt die Lungenfunktion sehr unreifer Frühgeborener deutlich hinter der von reifgeborenen Kindern zurück.
- Ehemalige Frühgeborene tragen deshalb bereits im jungen und mittleren Erwachsenenalter ein erheblich erhöhtes COPD-Risiko.
- Wie gut sich die Lunge nach den Belastungen durch die Frühgeburtlichkeit regenerieren kann, scheint stark genetisch determiniert zu sein.
- Stillen wirkt protektiv auf die Lungenfunktion von Frühgeborenen.
Prof. Dr. med. Wolfgang Göpel
Stellv. Klinikdirektor Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, UKSH Lübeck
Wann beginnt eigentlich eine COPD
Schlussfolgerungen:
- COPD ist eine Spektrumerkrankung, die stets multimorbide Patienten betrifft.
- Der eher kachektische Emphysem- und der eher übergewichtige Bronchitis-Typ der COPD stellen zwei pathophysiologisch verschiedene Entitäten dar:
- Beim Emphysem-Typ dominiert klinisch die Luftnot aufgrund der verminderten Gasaustauschfläche.
- Beim Bronchitis-Typ sind die durch exogene Schadstoffe und Infekte hervorgerufenen entzündlichen Veränderungen führend.
- Die Lungenentwicklung ist erst mit etwa 21 Jahren abgeschlossen. Bis zu diesem Alter ist eine Regeneration möglich; danach schaltet sich der genetische Signalweg für die Alveolarisierung irreversibel ab.
- Nach einer kurzen Plateauphase fällt etwa ab dem 30. Lebensjahr die Lungenfunktion individuell und in Abhängigkeit von Umgebungsfaktoren unterschiedlich schnell ab.
- Bei COPD sind in der Lunge ab der 5. Teilungsgeneration terminale Bronchiolen und Alveolen drastisch reduziert.
Prof. Dr. med. Klaus F. Rabe
Chefarzt der LungenClinic Großhansdorf