Abstract
„Pneumologie: persönlich und präzise“, so sollte das Motto des 61. DGP-Kongresses lauten. Die COVID-19-Pandemie verhinderte jedoch, dass dieser wie geplant stattfinden konnte. Dank einer interaktiven PneumoLive-Sendung am 26. Juni 2020 unter der Moderation von Prof. Dr. Gernot Rohde aus Frankfurt konnte die pneumologische Community dennoch zumindest virtuell ein wenig Kongressluft schnuppern. Die Referenten Prof. Dr. Oliver Hinz aus Frankfurt, Prof. Dr. Roland Buhl aus Mainz, Prof. Dr. Claus Vogelmeier aus Marburg, Prof. Dr. Felix Herth aus Heidelberg, PD Dr. Martin Kolditz aus Dresden sowie Prof. Dr. Michael Kreuter aus Heidelberg stellten die wichtigsten Daten und Fakten vor, die auch im Rahmen der Kongress-Symposien eine Rolle gespielt hätten. Dabei gaben sie einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in der Pneumologie, diskutierten neue Therapieansätze sowie Bildgebungsmöglichkeiten mittels künstlicher Intelligenz und wagten im Hinblick auf die Relevanz für den Praxisalltag einen Blick in die Zukunft. Per Chatfunktion konnten die Zuschauer auch dieses Mal wieder während der Veranstaltung Fragen stellen. Lesen Sie nachfolgend die Highlights und wichtigsten Aspekte für den Umgang mit Ihren Patienten.
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Infektiologie – Diagnostik (Prof. Dr. Rohde)
Die Diagnostik respiratorischer Erkrankungen ist komplex. Sie besteht aus der Erfassung klinischer Symptome, Bildgebung, Erregerdiagnostik und Wirtsreaktion. Insbesondere die Klinik sei laut Prof. Rohde noch unpräzise und unterliege der Interpretation des Einzelnen, da ein „Deep Phenotyping“ bislang nicht flächendeckend zum Einsatz komme. Auch in der Bildgebung werden Potentiale noch nicht ausgeschöpft:
Limitationen klassischer Mikrobiologie
Vor allem die Thoraxsonographie lasse sich für alle respiratorischen Krankheitsbilder einsetzen und biete dank modernster, hochauflösender Geräte sehr präzise Ergebnisse. Letzteres gelte auch für die Computertomographie (CT).
„Insbesondere im Zusammenhang mit COVID-19 und Turn-around-Zeiten von bis zu 72 Stunden kann eine präzise Diagnostik auf Basis eines CTs, welches innerhalb von fünf Minuten vorliegt, sehr hilfreich sein“, so Prof. Rohde.
Hoffnungsträger Mikrobiom
Was kann uns das Mikrobiom eigentlich sagen? Mit dieser Frage beschäftigte sich der zweite Teil des Vortrags von Prof. Rohde. Zum gesunden pulmonalen Mikrobiom gehören hauptsächlich Pseudomonas, Streptococcus, Prevotella, Fusobacteria und Veillonella sowie teilweise auch Haemophilus und Neisseria. Neben interindividuellen Unterschieden existieren auch geographische Unterschiede. Darüber hinaus beeinflusst der Kontakt mit (Haus-)Tieren das individuelle Mikrobiom des Einzelnen sehr stark. Zu Veränderungen im Mikrobiom führen auch virale und bakterielle Infektionen, welche sich per Proteomik anhand von Markern sehr gut voneinander unterscheiden lassen (siehe Video). „Welche Bedeutung das Mikrobiom im Zusammenhang mit infektiösen Atemwegserkrankungen hat, wird spätestens dann deutlich, wenn man sich anschaut, dass diese im Zuge von Mundschutz und Abstandsregelungen aufgrund von COVID-19 fast gänzlich verschwunden sind“, unterstrich Prof. Rohde. Im Verständnis des Mikrobioms liege daher ein unglaubliches Potential – nicht nur im Hinblick auf infektiöse Lungenerkrankungen, sondern ebenso auf COPD- und Asthma-Exazerbationen sowie kardiovaskuläre Erkrankungen, die ja dadurch ausgelöst würden.
Transkriptomik zur Unterscheidung zwischen viraler und bakterieller Infektion
Identifikation präsymptomatischer Individuen durch „Omics“-basierte Tests
Vor dem Hintergrund, dass Pandemien wie derzeit COVID-19 auch in Zukunft immer wieder auftreten werden, existiert ein hoher Bedarf für Maßnahmen, die Ausbrüche verhindern und dabei helfen können, Pandemien einzudämmen.
Sogenannte „Omics“-basierte Tests werden in diesem Zusammenhang künftig eine größere Rolle spielen. Damit ließen sich beispielsweise ganz einfach per Rachenabstrich infizierte Individuen bereits dann identifizieren, wenn sie noch keine Symptome aufweisen.
Zusammenfassung
- Die Diagnostik respiratorischer Infektionen wird zukünftig deutlich präziser und personalisierter stattfinden.
- Eine hochauflösende Bildgebung unterstützt die ätiologische Diagnostik.
- Die Mikrobiom-Analytik erlaubt ein umfassenderes Verständnis der Erregerverteilung und -dynamik.
- Die Analyse der Wirtsantwort hilft bei der Einordnung der Infektion.
- Die Identifikation von präsymptomatischen Individuen spielt eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Eindämmung von Epidemien und Pandemien.
Infektiologie – Therapie: persönlich und präzise (PD. Dr. Kolditz)
Unter welchen Bedingungen sollten Antibiotika im Rahmen einer akuten Exazerbation der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) eigentlich verabreicht werden? Mit dieser Frage stieg Dr. Kolditz in seinen Vortrag ein. Er stellte zwei Studien vor, in denen bei ambulanten bzw. hospitalisierten Patienten statt Sputumpurulenz bzw. im Vergleich dazu CRP-cut-off-Werte von 40 bzw. 50 mg/l als Kriterium für eine Antibiotikagabe dienten. Dadurch wurden bis zu 14,5 % weniger Antibiotika bei COPD-Patienten verordnet, ohne dass es im Verlauf zu vermehrten Exazerbationen oder einem schlechteren klinischen Verlauf kam.
Risikofaktoren identifizieren – individualisiert behandeln
„Die Verabreichung von inhalativen Steroiden (ICS) kann bei bestimmten Patienten mit COPD das zusätzliche Risiko einer Pneumonie erhöhen“, so Kolditz. Daher sei auch hier ein persönlicheres und präziseres Vorgehen geboten. Laut den Ergebnissen einer aktuellen Studie waren insbesondere diejenigen Patienten gefährdet, die eine chronische bronchiale Infektion sowie Eosinophile im Blut von < 100 Zellen/µl aufwiesen.
Risikostratifizierung in der Notaufnahme
Auch in Bezug auf die Kombination mit Makroliden sollten relevante Risikofaktoren individualisiert betrachtet werden, um kardiovaskuläre Komplikationen oder Blutungen zu vermeiden – beispielsweise im Rahmen potentieller Arzneimittelinteraktionen, insbesondere mit Statinen.
Pulmonale Infektion durch MAC: personalisiert ist heute schon Standard
Bei einer pulmonalen Infektion durch Erreger wie beispielsweise den Mycobakterium avium Komplex (MAC) sei ein personalisiertes Vorgehen laut Kolditz bereits heute mehr oder weniger Standard – sowohl im Hinblick auf eine individuelle Diagnostik als auch hinsichtlich der Basistherapie sowie unterschiedlicher Therapieziele, die gemeinsam mit dem Patienten besprochen werden.
Überblick COVID-19
Aktuelle Daten und Fakten zu COVID-19
„Was uns COVID-19 gelehrt hat, ist, wie relevant respiratorische Infektionen für die menschliche Gesundheit sind und wie wichtig dieses Thema tatsächlich für die gesamte Medizin ist“, betonte Kolditz.
Zusammenfassung
- Die Therapie akuter Exazerbationen bei COPD kommt trotz Sputumpurulenz bei CRP-Werten von 40 mg/l bzw. 50 mg/l häufig ohne Antibiotika aus, ohne dass es im Verlauf zu vermehrten Exazerbationen oder einem schlechteren klinischen Verlauf kommt.
- Die Identifikation von Risikofaktoren ist essenziell für die Therapieentscheidung:
- kein ICS bei COPD mit chronischer bronchialer Infektion sowie Eosinophilen im Blut von < 100 Zellen/µl
- kein Makrolid bei kardiovaskulären Komorbiditäten und/oder Leukozyten < 10
- Azitrhomycin statt Clarithromycin bei CAP und zusätzlicher Gabe von Statinen
- Ein gutes Beispiel einer personalisierten, patientenzentrierten Diagnostik und Therapie ist die Vorgehensweise bei einer pulmonalen Infektion durch MAC.
Asthma (Prof. Dr. Buhl)
Zu welchen Themen hätte es im Rahmen des diesjährigen DGP-Kongresses ein Symposium gegeben und worüber wird auch im kommenden Jahr noch diskutiert werden? Diese beiden Fragen stellte sich Prof. Buhl bei seinem Vortrag und stieg mit dem Update der GINA-Empfehlungen ein. Lesen Sie hierzu auch das Interview mit Prof. Buhl.
SABINA-Studie
Um die Relevanz der in Deutschland für die Therapiestufen 1 und 2 noch nicht zur bedarfsgesteuerten Therapie zugelassenen Fixkombination aus einem rasch wirksamen Formoterol und einem inhalierbarem Cortison (ICS) zu unterstreichen, führte Buhl die schwedische SABINA-Studie1 an (siehe Video).
Die Rolle der Triple-Therapie bei Asthma
Bei Patienten in den GINA Stufen 4 und 5, die mit ICS und einem Betamimetikum nicht ausreichend kontrolliert sind, sehen die neuen Empfehlungen die Hinzunahme eines zweiten Bronchodilatators – eines LAMAs* – vor. Bislang sind hier nur freie Kombinationen möglich, da entsprechende Fixkombinationen noch nicht zugelassen sind.
*LAMA steht für long-acting muscarinic antagonist = langwirksamer Muskarinantagonist
Patientenindividuelle Kriterien für eine Triple-Therapie
Das wird nicht mehr lange so bleiben, und zwar – wie die aktuelle Studienlage bestätigt – aus gutem Grund: „Dass die Hinzunahme eines zweiten Bronchodilatators zu einer Verbesserung der Lungenfunktion führt, ist eine selbsterfüllende Prophezeiung, denn zwei Bronchodilatatoren machen mehr Lungenfunktion als einer. Dies führt aber auch zu einer Reduktion der Exazerbationen“, berichtete Buhl.
Bedeutung von Biomarkern bei schwerem Asthma
„Es geht beim schweren Asthma nicht mehr ohne Biomarker.“ Damit leitete Prof. Buhl zum letzten Teil seines Vortrags über. Insbesondere die Anzahl der Eosinophilen im Blut sowie die Stickstoffoxide im Exhalat (FeNO) fungieren als Prädiktoren von schweren Exazerbationen und unkontrolliertem Asthma.
Biologika bei schwerem Asthma mit Komorbiditäten
Zur Behandlung stehen in Stufe 5 mittlerweile einige hochwirksame Biologika zur Verfügung. Jedoch gibt es bei jedem Biologikum auch einige Patienten, die nicht auf die Therapie ansprechen, die sogenannten „Non-Responder“. Spricht ein Patient nicht auf die Therapie an, so lohnt sich laut Buhl ein zweiter Therapieversuch mit einem anderen Biologikum: „Man sollte jedem Patienten mit einem Biologikum eine zweite Chance geben.“
Zusammenfassung
- Das Update der GINA-Empfehlungen erweitert die therapeutischen Möglichkeiten innerhalb der einzelnen Therapiestufen durch Kombination mit einer Fixkombination von ICS und Formoterol (in Deutschland nicht zugelassen) bei Bedarf in Stufe 1 und 2.
- Biologika bieten sehr gute therapeutische Ansatzpunkte zur Behandlung von schwerem Asthma, bei Nicht-Ansprechen sollte immer ein zweiter Therapieversuch mit einem anderen Antikörper unternommen werden.
- Komorbiditäten wie Polyposis nasi spielen bei der Biologikatherapie eine immer größere Rolle
COPD (Prof. Dr. Vogelmeier)
Prof. Dr. Vogelmeier begann seinen Vortrag mit einer zu COPD vergleichsweise seltenen Erkrankung, dem Alpha-1 Antitrypsin-Mangel. Trotz zahlreicher Studien der vergangenen Jahre gab es bislang noch keine Evidenz für die Wirksamkeit einer Therapie mit den aus Plasma hergestellten Alpha-1 Antitrypsin-Präparaten.
Überlebensdaten unter Alpha-1 Antitrypsin-Präparaten
Prof. Vogelmeier präsentierte in diesem Zusammenhang erste Überlebensdaten mit mehr als 1.500 Patienten: Hierbei zeigte sich ein Überlebensunterschied von fast 7 Jahren zugunsten der Patienten mit partiellem Zugang zu Alpha-1 Antitrypsin-Präparaten im Vergleich zu denjenigen ohne Zugang zu den entsprechenden Präparaten.
Absetzen von ICS bei COPD: Was sagt die Leitlinie?
Unter welchen Voraussetzungen kann es sinnvoll sein, die Therapie mit ICS abzusetzen? Dieser Frage widmet sich die jüngst publizierte Leitlinie der European Respiratory Society (ERS). Prof. Dr. Vogelmeier stellte Empfehlungen daraus vor, anhand der Anzahl der Eosinophilen im Blut sowie der Exazerbationshistorie des Patienten über den Umgang mit der ICS-Therapie zu entscheiden (siehe Video). Unbedingt fortgeführt werden sollte die ICS-Therapie der Leitlinie zufolge bei einer Eosinophilenanzahl von 300 Zellen/µl Blut – und zwar unabhängig von der Exazerbationsanamnese.
Leitlinie zum Absetzen von ICS
Insbesondere diesen Punkt sah Prof. Dr. Vogelmeier kritisch: „Was hier nicht berücksichtigt wird, ist die Frage, ob die Indikation gut war, die dazu geführt hat, dass der Patient initial das ICS bekommen hat.“ Die Empfehlung sei daher bei entsprechender Indikation für den Beginn der ICS-Therapie ganz gut anwendbar. Ob die Therapie jedoch abgesetzt werden sollte, sei im individuellen Fall allerdings stets zu hinterfragen.
Zusammenfassung
- Die erste große Studie zum Alpha-1 Antitrypsin-Mangel liefert Hinweise auf die Wirksamkeit einer Behandlung mit aus Plasma gewonnenen Alpha-1 Antitrypsin-Präparaten.
- Ab einer Eosinophilenanzahl von mindestens 300 Zellen/µl Blut empfiehlt die Leitlinie der ERS unabhängig von der Exazerbationshistorie eine Therapie mit ICS.
Bildgebung (Prof. Dr. Herth)
Die moderne Bildgebung setzt auf künstliche Intelligenz. Das verdeutlichte der Vortrag von Prof. Herth, der anhand von „bunten Bildern“ eines Lungenemphysems sowie eines Asthmapatienten mit einer Schleimretention mit Hilfe von quantitativer Computertomographie (QCT) zeigte, was aktuell bereits möglich ist. „Allerdings werden wir bei allem, was wir durch künstliche Intelligenz präsentiert bekommen, sicher noch lange die medizinische, persönliche Expertise benötigen, um die Daten zu interpretieren“, so Herth. Auch Prof. Hinz hatte bereits in seinem Vortrag darauf hingewiesen, dass der Mensch der Maschine beibringen müsse, warum sie zu einer bestimmten Diagnose kommt.
Moderne Diagnostik mittels Softwareunterstützung
Eine wichtige Rolle spielt die QCT bereits heute im Bereich der Rundherd- sowie der COPD- und Asthma-Diagnostik. Darüber hinaus lassen sich mittels unterschiedlicher Parameter der QCT sogar Klassifizierungen und Phänotypisierungen von Patienten vornehmen.
Unterstützung durch Softwareanalysen in der klassischen Radiologie
„Dies könnte zukünftig beispielsweise auch im Zusammenhang mit der klinischen Erforschung neuer Präparate, die nur bei einem bestimmten Phänotyp untersucht werden sollen, beim Studieneinschluss von Bedeutung sein“, vermutete Prof. Herth. Ebenso könnte die Softwareunterstützung künftig die Typisierungen von verschiedenen interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) verbessern.
Zusammenfassung
- Die Möglichkeiten der Bildgebung nehmen durch Softwareunterstützung auf Basis künstlicher Intelligenz zu und erlauben auf diese Weise
- Phänotypisierung von Obstruktionen
- Quantifizierung
- Klassifizierung im Bereich der ILD
- Screening für Lungenerkrankungen
- Dies ist in abgespeckter Form auch durch Rö-Thorax möglich. –> Der moderne Radiologe kommt allerdings nicht mehr an der Interpretation von CT-Bildern mittels Softwareunterstützung vorbei.