Abstract
Im Rahmen des DGP-Symposiums „COPD-Wissenschaft Aktuell – Forschung für die Praxis nutzbar machen“ diskutierten hochkarätige Referenten über die derzeitige wissenschaftliche Situation zur Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Gleich mehrere Studien haben im Jahr 2018 die Überlegenheit von Dreifach-Fixkombinationen gegenüber der dualen Bronchodilatation gezeigt, so dass es neue aussagekräftige Evidenzen für den Einsatz von ICS-haltigen Dreifach-Fixkombinationen in der COPD gibt.1,2,3 „Mit den Studien TRIBUTE, IMPACT und KRONOS1,2,3 hat sich seit Kurzem ein klares Bild formiert, wann eine ICS-haltige Dreifach-Therapie im Sinne einer effektiven Exazerbationsprävention einzusetzen ist“, so das einhellige Fazit der international renommierten Referenten Prof. Kenneth Chapman (SUNSET) und Prof. Jørgen Vestbo (FLAME, TRIBUTE) beim Chiesi-Symposium am 14. März 2019 auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) in München. „Diese neue Evidenz findet sukzessive Eingang in den Versorgungsalltag“, resümierte Prof. Dr. Christian Taube, Direktor der Klinik für Pneumologie der Universitätsmedizin Essen-Ruhrlandklinik und Chairman der Veranstaltung.
„COPD-Wissenschaft Aktuell – Forschung für die Praxis nutzbar machen“
Chiesi-Symposium anlässlich des 60. Kongresses der DGP, 14.03.2019, München
COPD – eine komplexe Erkrankung
Die COPD ist in Bezug auf Mortalität und Morbidität weltweit eine der führenden Erkrankungen.5,6 „Ein nicht unerheblicher Anteil an COPD-Patienten ist noch immer unzureichend behandelt“, hielt Prof. Dr. Vestbo, Professor für Atemwegsmedizin der Abteilung für Infektions-, Immunitäts- und Atemwegsmedizin der School of Biological Sciences an der Universität Manchester und Leiter Atemwegserkrankungen für das NIHR Manchester Biomedical Research Center, Manchester, Großbritannien, fest. Laut Vorhersage der Global Burden of Disease Study wird sie im Jahr 2020 die dritthäufigste Todesursache sein.6 „In einer Studie hatten COPD-Patienten in jeder Alltagssituation deutlich mehr Atemnot und waren deutlich eingeschränkter als vergleichsweise schwerer erkrankte KHK-Patienten“, berichtete Prof. Dr. Michael Dreher, Klinikdirektor der Klinik für Pneumologie und Internistische Intensivmedizin an der Uniklinik der RWTH Aachen. Die Patienten mit COPD geraten häufig in eine Abwärtsspirale: Aufgrund ihrer Dyspnoe reduzieren viele Erkrankte ihre körperliche Aktivität.7 Die Folge ist eine Dekonditionierung von Herz, Kreislauf und Muskulatur, wodurch die körperliche Belastbarkeit weiter abnimmt und die Luftnot weiter zunimmt.5 Zudem ist COPD häufig mit kardiovaskulären Komorbiditäten assoziiert.8 So beträgt der Anteil kardiovaskulärer Erkrankungen an der Gesamtmortalität von Patienten mit COPD etwa 20 %.6 „Aus dem DACCORD-Register8 wissen wir, dass COPD mit einem massiven Impact für Mortalität und Morbidität assoziiert ist. Wir müssen uns dieser komplexen Erkrankung stellen“, betonte Dreher.
GOLD-Empfehlungen 2019 – am individuellen Beschwerdebild orientieren
Stärker als bisher orientieren sich die aktuellen GOLD-Empfehlungen (Abb. 1) am individuellen Beschwerdebild des Patienten, um den Schweregrad der COPD einzuschätzen: Je nachdem, welches Problem beim jeweiligen Patienten im Vordergrund steht, kann der Arzt verschiedene Algorithmen zur Adressierung von Dyspnoe oder Exazerbationen nutzen und die Therapie nach Bedarf anpassen.5 Unter anderem legen die Empfehlungen Kriterien für den gezielten Einsatz von inhalativen Kortikosteroiden (ICS) bei COPD fest. In diesem Zusammenhang wird die Bestimmung eosinophiler Granulozyten als ein Biomarker für den Einsatz von ICS genannt.5 Die Referenten, Prof. Dr. Vestbo und Prof. Dr. Chapman, Direktor des Asthma- und Atemwegszentrums des University Health Network der Universität Toronto, Kanada und Autor der SUNSET-Studie, waren sich einig: Zur Orientierung für die Praxis kann das Ampelsystem von Agusti und Kollegen hilfreich sein, welches eine kombinatorische Betrachtung aus Exazerbationshistorie und der Anzahl an Eosinophilen für den Einsatz inhalativer Steroide gibt (Abb. 2). Für den Versorgungsalltag wird darin empfohlen, den ICS-Einsatz bei einem Spiegel eosinophiler Granulozyten von 100 bis 300 Zellen/µl zu erwägen (gelber Bereich: „Consider Use“). Bei Spiegeln von mehr als 300 Zellen/µl sollten ICS auf jeden Fall eingesetzt werden (grüner Bereich: „Strong Support“).9 Derzeit fassen Algorithmen zusammen, wann die medikamentöse Therapie optimiert werden sollte. Dreher fokussierte sich dabei auf das Vorgehen insbesondere bei instabilen Patienten: Zu Beginn ist festzulegen, ob Dyspnoe oder Exazerbationen im Vordergrund stehen. Sind beide Aspekte behandlungsbedürftig, sollte der Exazerbationspfad im Algorithmus gewählt werden.5
Abb. 1: Die GOLD-Empfehlungen 2019: Empfohlene Therapieanpassung beim Auftreten von Atemnot oder Exazerbationen unter der aktuellen Erhaltungstherapie; modifiziert nach 5.
Abb. 2: Wie inhalative Steroide bei COPD einordnen? Wie richtig damit umgehen? Das Ampelsystem dient als pragmatische Entscheidungshilfe für die Praxis; modifiziert nach 9.
Stellenwert der Dreifach-Therapie
Basis der COPD-Therapie sind langwirksame Bronchodilatatoren (LAMA, LABA),5 Dreifach-Fixkombinationen erhalten in den neuen Empfehlungen jedoch einen höheren Stellenwert als in den Vorjahren. „Die Dreifach-Therapie ist ein effektives Instrument – wir müssen aber die Patienten, die hierfür in Frage kommen, genau auswählen“, unterstrich Vestbo. Sie kommt dann zum Einsatz, wenn eine moderate bis schwere COPD sich durch eine duale Kombination (ICS/LABA oder LAMA/LABA) nur unzureichend kontrollieren lässt. 5 Studiendaten zeigen, dass vortherapierte COPD-Patienten, die in eine instabile Krankheitsphase geraten, von einer Dreifach-Kombination der bewährten Wirkprinzipien LAMA, LABA und ICS, formuliert in einem einzigen Inhalator, profitieren können: TRIBUTE und IMPACT belegen, dass fixe Dreifachkombinationen Exazerbationen bei Risikopatienten mit moderater bis schwerer COPD effektiver verhindern und zur Verbesserung der Lungenfunktion beitragen als duale Kombinationstherapien aus LAMA/LABA, so dass von einem Klasseneffekt der Steroide ausgegangen werden kann.1,2,10
TRIBUTE – der alleinigen dualen Bronchodilatation überlegen
Bezogen auf die Effektivität konnte die TRIBUTE-Studie positive Effekte für die extrafeine Dreifachkombination in einem Inhalator nachweisen: In der randomisierten Doppelblindstudie wurde die Wirksamkeit der extrafeinen Dreifach-Fixkombination Trimbow®4 mit der LAMA/LABA-Kombination aus Glycopyrroniumbromid/Indacaterol (GB/IND) hinsichtlich der Reduktion moderater bis schwerer Exazerbationen bei COPD verglichen.1 Bei vergleichbarem Sicherheitsprofil erreichte die Dreifach-Fixkombination den primären Studienendpunkt mit einer signifikanten Reduktion der Rate moderater/schwerer Exazerbationen um 15,2 % im Vergleich zur LAMA/LABA-Kombinationstherapie (p = 0,043).1 Eine Überlegenheit zeigte sich auch in der Subgruppe der GOLD-B-Patienten: Hier konnte die Dreifachtherapie moderate und schwere Exazerbationen um 23 % reduzieren (Abb. 3).10
Abb. 3: Die Post-hoc-Analyse der TRIBUTE-Studie zeigt in der Subgruppe GOLD-B unter der fixen Dreifach-Fixkombination eine überlegene Reduktion moderater bis schwerer Exazerbationen; modifiziert nach 10.
Patienten einbeziehen – Adhärenz verbessern
Studien zeigten, dass die Verwendung von mehreren Inhalationsgeräten sowie unterschiedlichen Inhalationstechniken das Exazerbationsrisiko erhöhen kann.11,12 Bei der Verwendung nur eines Inhalationsgerätes im Vergleich zu multiplen Devices traten innerhalb von 12 Monaten signifikant weniger mittelschwere und schwere Exazerbationen auf (1,03 vs. 1,55, p<0,0001).12 Wichtig ist, laut Dreher, die Patienten in der optimalen Nutzung ihres Inhalators zu schulen, zum Beispiel mithilfe von Videos der Deutschen Atemwegsliga. Eine entsprechende Studie zeigte, dass diese Erklärfilme leicht verständlich sind und die Inhalationstechnik der Patienten verbessern können (Abb. 4).13 Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer (51,8 %) machte vorab mindestens einen Fehler bei der Anwendung. Von diesen verstanden 88 % das Trainingsvideo, 76 % wendeten das Device danach korrekt an, 72 % auch noch beim Follow-up (p=0,0008).13
„Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss die Dreifach-Fixkombination GB/FF/BDP im Versorgungsalltag auf die Lebensqualität der Patienten hat“, sagte Dreher. Dies wird derzeit im Rahmen einer multizentrischen, prospektiven, nicht-interventionellen Studie evaluiert: TriOptimize untersucht die Lebensqualität von COPD-Patienten, die mit der fixen Dreifach-Kombination behandelt werden. Einer der Schwerpunkte der Studie ist zudem die Charakterisierung von Faktoren, die mit der Therapieadhärenz von Patienten assoziiert sind.14
Abb. 4: Eine gute Schulung macht den Unterschied: Die Erklärvideos der Deutschen Atemwegsliga helfen COPD-Patienten, ihre Inhalationstechnik zu verbessern; modifiziert nach 13.
Literatur
1. Papi A et al., Lancet 2018;391:1076-84
2. Lipson et al. N Engl. J Med 2018 May 3;378(18):1671-1680
3. Ferguson et al. Lancet Respir Med 2018 Oct 6(10):747-758
4. Fachinformation Trimbow® 87/5/9 Mikrogramm Druckgasinhalation, Lösung, Stand: 04/2019
5. GOLD. The Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD). 2019 Global Strategy for Prevention, Diagnosis and Management of COPD. https://goldcopd.org/gold-reports/
6. Vogelmeier CF et al., S2k-Leitlinie „Diagnostik, Prävention und Therapie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD)“, Stand: 01.01.2018, gültig bis 31.12.2021
7. Burkhardt R und W Pankow, Diagnostik der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung. Dtsch Arztebl 2014;111(49):834-846
8. Worth H et al., Respiratory Medicine 2016;111:64-71
9. Agusti A et al., Europ Resp J 2018; DOI: 10.1183/13993003.01219-2018
10. Singh D et al., Int J Chron Obstruct Pulmon Dis. 2017
11. Yu AP et al., Respir Med. 2011 Dec;105(12):1861-71. DOI:10.1016/j.rmed.2011.07.001. Epub 2011 Jul 31
12. Bosnic-Anticevich S et al., Int J of COPD 2017;12:59-71
13. Müller T et al., Respiratory Medicine 2017;129:140e144
14. Hövelmann R et al., Pneumologie 2019;73 DOI 10.1055/s-0039-1678338; www.trioptimize.de