Abstract

Exazerbationen zu erkennen und diese wirksam zu behandeln, ist entscheidend bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), denn diese stellen einen wesentlichen Prognosefaktor im Verlauf einer COPD dar – so die beiden Referenten unisono beim wissenschaftlichen Chiesi-Symposium im Rahmen der 11. Pneumologischen Praxistage in Berlin. Prof. Dr. Adrian Gillissen, Ermstalklinik Bad Urach, verwies darauf, dass jede Exazerbation ein guter Prädiktor für einen weiteren akuten Erkrankungsschub sei. „Die Exazerbation an sich ist schon ein Risikofaktor. Je schwerer und häufiger sie auftritt, desto schneller ist die Krankheitsprogression und desto schlechter die Überlebensprognose“, stellte Gillissen zu Beginn seines Vortrags heraus. Folglich sei eine entsprechende Behandlung mittels zur Verfügung stehender Medikamente in den Augen von PD Dr. Christian G. Geßner, niedergelassener Pneumologe aus Leipzig, unerlässlich: „Noch besser ist es jedoch, Akutschübe zu vermeiden!“.

Bereits zum 11. Mal luden der Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP), die Bundesarbeitsgemeinschaft pädiatrische Pneumologie e.V. (BAPP) sowie der Verband des Pneumologischen Assistenzpersonals in Deutschland (VPAD) zur alljährlichen Fortbildungsveranstaltung „Pneumologische Praxistage“ nach Berlin. Beim Chiesi-Symposium im Rahmen dieser Fortbildung ging es um die Fragestellung, welche Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) exazerbieren und wie Exazerbationen in Klinik und Praxis behandelt bzw. vermieden werden können. Die Pneumologischen Praxistage fanden vom 25. bis 26. Mai 2018 statt.

„Welche Patienten exazerbieren und wie können wir das vermeiden?“

Chiesi-Symposium im Rahmen der 11. Pneumologischen Praxistage, Berlin

Den Blick für Exazerbationen schärfen

Beide Referenten – Prof. Dr. Gillissen aus dem Blickwinkel der Klinik und PD Dr. Geßner aus der Praxisperspektive – waren sich einig: Das Erkennen von COPD-Exazerbationen ist in der Patienten-Versorgung in Deutschland bisher nicht befriedigend gelöst. Obwohl diese das Krankheitsgeschehen bei der COPD oft in entscheidender Weise bestimmen, stellt das Erkennen eines akuten Krankheitsschubs im Praxisalltag noch immer ein Problem dar: Einer deutschen Erhebung unter Pneumologen (Abb. 1) zufolge erfahren 63 % der Ärzte durch eine gezielte routinemäßige Befragung des Patienten von einer Exazerbation, die außerhalb ihrerer Praxis stattgefunden hat.1 „Oft bedarf es bis zu vier Anläufen, bis der entscheidende Hinweis kommt“, so Geßner. Daher seien Entlassungsdokumente, die den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten abbilden, hilfreich. 60 % der Befragten erhalten so Informationen zu Exazerbationen, die außerhalb ihrer Praxis stattgefunden haben.1 Dadurch wüsste er: „Warum war der Patient in der Klinik, welche Behandlung erfolgte dort?“ Umgekehrt gaben 37 % der Pneumologen an, sich nicht regelmäßig und/oder gezielt nach Exazerbationen bei ihren Patienten zu erkundigen.1

Ein Begriff mit viel Interpretationsspielraum
In der Literatur sind Exazerbationen als eine Verschlechterung respiratorischer Symptome wie Dyspnoe, Husten, Sputum und Auswurf als Anzeichen von COPD Akutereignissen definiert, die eine Therapieanpassung erforderlich machen.2 Im Unterschied dazu ist die Wahrnehmung der Patienten über eine akute Beeinträchtigung heterogen. „Nur die wenigsten Patienten kennen den Begriff Exazerbation“, gab der niedergelassene Pneumologe zu bedenken „Geläufiger sind einfachere Beschreibungen wie Infekt, Erkältung, Kurzatmigkeit, Krise, Attacke oder auch neu aufgetretene Atemprobleme.“ Daneben werden vielfach Allgemeinsymptome, wie z. B. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Erschöpfung und Fieber, angeführt.

Die Ursachen einer Akutverschlechterung können vielschichtig sein. Am häufigsten werden sie jedoch durch bakterielle oder virale Infekte verursacht – im Wesentlichen durch Rhino-Viren – oder sind bei 25-50 % der Fälle bakterieller Genese.3,4 Doch nur bei bakteriellen Infektionen ist der Einsatz einer antibiotischen Therapie indiziert.2 Dazu müssen mindestens zwei von drei Kardinalsymptomen wie z. B. die Zunahme der Dyspnoe, Sputumpurulenz und/oder -menge erfüllt sein.5

Häufigkeit und Schwere entscheiden über Progress
Die COPD-Exazerbation stellt einen wesentlichen prognostischen Faktor im Verlauf der Erkrankung dar, denn sie beschleunigt den Verlust an Lungengewebe und führt zu einem sprunghaften, irreversiblen Abfall an Lungenfunktion – Studien sprechen von bis zu 25 %, die durch Exazerbationen verloren gehen.6 „Nach einer Exazerbation erreichen die Patienten oft nicht mehr den Zustand, den sie davor hatten. Und wer einmal exazerbiert, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit auf ein Rezidiv“, führte Geßner weiter aus. Während eine leichte Exazerbation in der Regel mit der Erhöhung einer SABA-Selbstmedikation vom Patienten selbst ausreichend behandelt werden kann, werden bei einer mittelschweren Verlaufsform zusätzlich ein systemisches Glukokortikoid und/oder ein Antibiotikum verordnet. Bei schweren Exazerbationen ist zumeist eine stationäre Betreuung erforderlich, wohingegen bei sehr schweren Erkrankungsschüben die Behandlung auf einer Intensivstation oder einer Intermediate Care Unit (IMC-Station) unumgänglich ist.7

Therapiewahl nach klinischem Bild
Neben einer vordergründigen Beschwerdelinderung ist es das vorrangige Ziel, das Risiko für Exazerbationen zu reduzieren und deren Verlauf zu mildern. Dazu kommen folgende Therapie-Optionen zum Einsatz:

Bronchodilatatoren in der Soforttherapie
Für die Akuttherapie einer Exazerbation sind grundsätzlich inhalative den intravenösen Therapien vorzuziehen. Letztere kommen nur dann zum Einsatz, wenn eine Inhalationstherapie unzureichend oder gar unmöglich ist. Gut tolerierte Inhalativa sind kurzwirksame ß2-Agonisten wie Salbutamol (SABA) und kurzwirksame Muskarinrezeptor-Antagonisten (SAMA) in Mono- oder Kombinationstherapie. Inhalative Kortikosteroide sind für den Notfall nicht geeignet. Gleichfalls spielt Theophyllin in der Akuttherapie keine große Rolle. „Es hat die schlechteste bronchodilatative Wirkung bei einem gleichzeitig hohen Nebenwirkungspotenzial“, brachte es Gillissen auf den Punkt. Geßner ergänzte: „Niedrigdosiertes Theophyllin reduziert zwar Exazerbationen, jedoch ohne positiven Effekt auf die Lungenfunktion, weshalb kurzwirksame Bronchodilatatoren vorzuziehen sind.“

Antibiotika
Bei Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit eines bakteriellen Befalls – als klinischer Parameter gilt hier die Purulenz des Auswurfs – ist ein Therapieversuch mit einem Antibiotikum über 5-7 Tage gerechtfertigt (Abb. 2). „Das beliebteste Antibiotikum des Hausarztes ist Cibrofloxazin. Zur Exazerbationsprophylaxe besser geeignet ist im Rahmen einer Primärtherapie jedoch Moxifloxazin. Die Wahl einer geeigneten Antibiose ist aber aus meiner Erfahrung dem Hausarzt grundsätzlich schwer zu vermitteln“, analysierte Geßner. Weisen Patienten weder Purulenz, noch Entzündungszeichen auf, ist die Notwendigkeit einer Antibiose nicht gegeben.7

Systemische Kortikosteroide
Die Gabe systemischer Kortikosteroide ist bei akuten Exazerbationen einer moderaten bis sehr schweren COPD angezeigt. „Jedoch nur im Notfall, nicht unbedingt in der Dauertherapie; dort ist sie eher exazerbationsfördernd,“ hielt Gillissen fest. Schon die REDUCE-Studie konnte den Beweis erbringen, dass eine 5-tägige Therapie der konventionellen 14-tägigen Behandlung nicht unterlegen ist. Trotz signifikanter Einsparungen bei der Gesamtdosis an Steroid kam es innerhalb des Follow-ups unter der Kurzzeittherapie nicht zu vermehrten Folge-Exazerbationen.8

Inhalative Kortikosteroide (ICS)
„Während einer Exazerbation bringt die Verdopplung der ICS-Dosis nichts. Viel entscheidender ist es, sich den Patienten genau anzuschauen und eine individualisierte Therapiestrategie im Sinne einer Exazerbationsprophylaxe festzulegen“, so der Leipziger Pneumologe. Heutzutage gibt es eine ganze Reihe wirksamer Therapeutika zur Exazerbationsprävention. „Mukoregulatoren sind“, so Gillissen „am wenigsten erfolgsversprechend.“ Zu bevorzugen sind neben ß2-Mimetika v. a. inhalative Steroide bzw. entsprechende Kombinationstherapien. Seit Oktober 2017 steht die erste Dreifach-Fixkombination aus Glycopyrroniumbromid (GB), Formoterolfumarat (FF) und Beclometasondipropionat (BDP) zur Erhaltungstherapie bei Patienten mit moderater bis schwerer COPD, die mit einer Kombination aus ICS und LABA nicht ausreichend eingestellt sind, zur Verfügung.9 Sie konnte in den beiden zulassungsrelevanten Studie TRILOGY und TRINITY Vorteile hinsichtlich der Reduzierung moderater bis schwerer Exazerbationen belegen (Abb. 3):

  • In TRILOGY war die Anwendung der Dreifach-Fixkombination an knapp 1.400 COPD-Patienten (FEV1 < 50 %, ≥ 1 moderate/schwere Exazerbation im Vorjahr) im Vergleich zu einer ICS/LABA-Therapie (BDP/FF) mit einer statistisch signifikanten Zunahme der Lungenfunktion assoziiert (p < 0,001). GB/FF/BDP reduzierte überdies die Rate an moderaten bis schweren Exazerbationen (sekundärer Endpunkt) nach 52 Wochen statistisch signifikant um 23 % gegenüber der BDP/FF-Vergleichstherapie (p = 0,005).1
  • TRINITY verglich an knapp 2.700 Patienten (FEV1 < 50 %, ≥ 1 moderate/schwere Exazerbation im Vorjahr) die Dreifach-Fixkombination mit einer LAMA-Monotherapie (Tiotropium) und einer freien Dreifach-Kombination (BDP/FF plus Tiotropium). Nach 52 Wochen zeigte sich für GB/FF/BDP eine statistisch signifikante Reduktion der Rate an moderaten bis schweren Exazerbationen um 20 % gegenüber der Tiotropium- Monotherapie (p = 0,0025).12
  • In einer Subgruppenanalyse von TRINITY zeigte sich zudem, dass die fixe Dreifach-Therapie die Exazerbationsrate bei Patienten mit mind. 2 Exazerbationen im Vorjahr verglichen mit der freien Dreifach-Therapie aus BDP/FF plus Tiotropium signifikant reduzierte.12

Rehabilitation (Anschlussheilbehandlung, AHB)
Nach einer überstandenen krankenhauspflichtigen Exazerbation ist für Patienten eine pneumologische Rehabilitation das Gebot der Stunde. In Deutschland werden solche Rehabilitationen in der Regel als AHB-Maßnahme in einem stationären dreiwöchigen Setting durchgeführt – mit dem Ziel, Patienten wieder zu stabilisieren und zukünftige Exazerbationen zu vermeiden. Dies gelingt beispielsweise über die Steigerung von körperlicher Bewegung, die Förderung eines gesunden Lebensstils sowie eine Nikotinentwöhnung. Wie der Cochrane Review 2016 zeigte, verbessert eine Rehabilitation nach Exazerbation mit einer hohen Evidenz-Qualität die Lebensqualität sowie die körperliche Leistungsfähigkeit.13 Jedoch ist derzeit die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt der Rehabilitation nach einem Akutereignis noch nicht abschließend beantwortet.

Was tun bei instabiler COPD?

Für Patienten, die pro Jahr ≥2 Exazerbationen oder ≥1 Exazerbation mit Krankenhauseinweisung erleiden nimmt laut GOLD 2017 die Kombinationstherapie mit LABA/LAMA an Bedeutung zu. Für Patienten, die unter einer dualen Bronchodilatation exazerbieren, bleibt die Kombinationstherapie aus antientzündlicher Komponente (ICS) und LABA eine wichtige Behandlungsoption3. Für instabile Patienten, die unter einer Zweifach-Kombination, wie z.B. LABA/LAMA oder ICS/LABA, aufgrund von anhaltenden Symptomen und/oder Exazerbationen instabil sind, empfiehlt sich gemäß GOLD 2017 die Dreifach-Therapie mit einer Kombination aus LABA/LAMA/ICS3.

Auf Basis eines umfassenden Phase-III-Studienprogramms der Firma Chiesi hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel Agentur (EMA) im laufenden Zulassungsverfahren am 19.05.2017 eine positive Stellungnahme für die erste extrafeine Formoterol/Glycopyrronium/Beclometason-Fixkombination (LABA/LAMA/ICS) veröffentlicht.

FEV1 = Forced Expiratory Volume in 1 second; GOLD = Global Initiative For Chronic Obstructive Lung Disease; ICS = inhalatives Kortikosteroid; LABA = lang wirksamer β2-Agonist; LAMA = lang wirksames Anticholinergikum; SABA = kurzwirksamer β2-Agonist

Literatur


  1. Hering T et al., J. Pneumologie 2016;70(2):98-102
  2. GOLD. Global Strategy for Diagnosis, Management, and Prevention of COPD. 2018 Report, http://www.goldcopd.org
  3. Sethi S et al., NEJM 2008;359(22):2355-65
  4. Sapey E et al., Thorax 2006;6:250-8
  5. Soler N et al. Thorax 2007;62:29-35
  6. Wedzicha JA et al. Clin Chest Med 2014;35:157-63
  7. S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD), Stand: 01.01.2018
  8. Leuppi JD et al., JAMA 2013;309(21):2223-2231
  9. Walters JA et al., Cochrane Database Syst Rev 2018;3:CD006897. doi:
  10. Singh D et al., Lancet 2016;388:963-73
  11. Vestbo J et al., Lancet 2017;389:1919-1929
  12. Singh D et al. Int. J. COPD 2017 Oct 6; 12:2917-2928
  13. Puhan MA et al., Cochrane Database Syst Rev 2016;12:CD005305. doi: